Im Museum Langmatt spielerisch Kunst erleben
Mit der Geschichtenkiste geht’s los auf eine spannende Entdeckungsreise durch die Kunst.
Das einstige Zuhause der Familie Brown beheimatet heute eine eindrückliche Impressionismus-Sammlung und ist auch für Kinder geeignet.
«Was hörst du?», fragt Grosi. Der 7-jährige Juri antwortet: «Musik. Ah nein.» Und plötzlich erwacht ein Lächeln um seinen Mund. «Jetzt fängt eine Geschichte an.» Juri und seine grosse Schwester Neva tragen beide weisse Kopfhörer im Ohr. Grosi studiert den Auftrag, der mit der Geschichtenkiste kommt, Grospapi betrachtet derweil ein Gemälde von Alfred Sisley: Die Kirche von Moret.
Grosseltern und Enkel sind im Museum Langmatt in Baden. Um den Museumsbesuch etwas spannender zu gestalten, haben sie sich die brandneue Geschichtenkiste ausgeliehen. Kein stundenlanges Rumstehen vor den Bildern, keine alten Geschichten, kein Weisst-du-früher-war-das-bla-bla. Mit der Geschichtenkiste werden die Kinder zum aktiven Mitmachen aufgefordert: Sie malen, hören Geschichten, basteln Papierschiffe oder erfinden selber Geschichten. Alle sitzen am Boden und lesen und diskutieren. Ein schönes Miteinander im altehrwürdigen Wohnhaus der Industriellenfamilie.
Markus Stegmann, der Direktor des Museums, hat zu den Bildern Geschichten für Kinder geschrieben: Ein Wald voll Affen – Impressionismus für Kinder. In der dazugehörigen Geschichtenkiste, die man an der Kasse ausleihen darf, befinden sich drei Schachteln. Jede Schachtel gehört zu einem Bild. In jeder Schachtel befindet sich ein kleiner MP3-Player mit einer passenden Geschichte zum Mithören. Dazu ein Gegenstand und ein Auftrag, der die Kinder einlädt mitzumachen. Und das tun sie gerne.
Impressionismus mit Kinderaugen entdecken
Juri dreht an der winzigen Spielorgel, erst langsam, dann schnell, dann rückwärts. Grosspapi meint: «Vielleicht wäre es gut, wenn wir zuerst das Bild suchen, das zur Schachtel gehört.» Der erste Auftrag lautet: Zeichne selber ein Bild. Neva fängt sofort an, malt Zauberblumen. Nach kurzem Zögern nimmt auch Juri die Farbstifte in die Hand und beginnt mit seiner ganz eigenen Interpretation von «Pupseblumen».
Grosspapi erhält von der Museumsaufsicht einen Klappstuhl und blättert im Buch, Grosi kniet neben Neva auf dem Boden, Juri läuft aufgeregt hin und her. Nun möchte er eine Geschichte erfinden, er kann aber noch nicht schreiben. Grosspapi hält ihm das Smartphone hin, Juri spricht seine Geschichte über die Clowns Pizarro, Renoiro und Sisli ins Mikrofon. Neva schreibt eine Geschichte über den Tulpensamen, der ausgelacht wird, bevor ein Sturm die grossen Tulpen dahinfegt. Nun wächst der zuvor geschützte, kleine Samen zu einer bunten, schillernden Zauberblume heran. «Gehört die Geschichte zu dem Bild, das du vorhin gemalt hast?», fragt Grosi. «Ja», sagt Neva stolz. «Ich schenke dir das Bild und die Geschichte.»
Nun ist die dritte Schachtel dran. Aber wo ist das Bild? Neva findet es. Nun wird es wieder ganz ruhig. Die Kinder hören sich die Geschichte an. Und Grosspapi bewundert die beeindruckende Sammlung impressionistischer Künstler. Auf dem Bild sieht man ein Holzboot und eine junge Frau. Inspiriert bastelt Neva Papierschiffe, während Juri seine Clown-Geschichte nochmal ausprobiert. Dafür geht er ständig im Kreis und testet neue Sätze. Sogar Grossvater, der eben noch gemütlich auf dem Klappstuhl sass, kniet auf dem Boden und faltet Schiffchen. Schon bald ruft Neva: «Das habe ich ganz alleine gemacht! Sind wir nun fertig?»
Nachdem alle Aufträge erfüllt, Geschichten gehört, Bilder gemalt und Schiffe gebastelt sind, geht es weiter in die bunte Welt der zeitgenössischen Kunst.
Assoziationsspiel in der bunten Welt zeitgenössischer Kunst
Im zweiten Teil des Museums öffnet sich die bunte, grossflächige Welt der zeitgenössischen Künstlerin Renée Levi (*1960). Gelb, orange, blau, die Farben leuchten grell, der Raum ist hell und freundlich. Die modernen, riesigen Bilder strahlen Lebendigkeit aus, Frische und Fröhlichkeit. Ganz automatisch setzen sich die vier auf die alten, weit auseinander stehenden Sessel und beginnen ein Wortspiel durch den ganzen Saal. Fast genauso wie die Bilder einander Farben zuwerfen, werfen sie sich Assoziationen zu. Enkel und Grosseltern lachen. Das Zusammensein ist leicht. «Gelb», sagt Juri. «Sonne», sagt Neva. Grosi überlegt: «Heiss!». Und Grosspapi meint: «Ferien.» Nach zehn Minuten beendet Juri das Spiel. «Hunger», sagt er. «Ja», meinen die anderen. «Pizza.»
Hat’s Spass gemacht? Ja, sehr. Finden sowohl die Kinder als auch die Grosseltern. «Habt ihr denn auch die Bilder angeschaut?», fragt Grosspapi. «Nicht wirklich», meint Neva ehrlich.
Ein Artikel von Thomas Meier
Der Primarlehrer und Autor lebt mit seiner Familie in Baden. Als freier Mitarbeiter des Magazins «Grosseltern» schreibt er hin und wieder Ausflugstipps.